Dezember 2025 | Christian Faul, ki-3102-0, 2025, Öl auf Aluminiumschichtplatte auf Holz, 100 x 57 x 8 cm
Die glatte Oberfläche des Bildes zeigt kaum Pinselspuren. Nur untergründig gibt es zarte Hinweise auf die Arbeit, die getan werden musste, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Sie bildet die Basis des schönen, lebendigen Blicks von Menschen auf Fische. Dabei sind beide sich wechselseitig das Fremde: die einen leben in einem Element, in dem Menschen ertrinken und die anderen in der Luft, wo den Fischen den Atem stockt bis sie sterben. So weit voneinander entfernt, begegnen sich Menschen und Tiere im Artifiziellen. Die Schönheit der gemalten Tiere formt einen ruhigen Weg, um zwischen Fremden zu kommunizieren. Dabei gleicht die skulpturale Form des Malgrunds mit ihren abgerundeten Ecken einem Bassin. Die Fische bewegen sich darin nicht tief unten, sondern weit oben. Sie erscheinen seidig matt über dem glänzenden, beinahe weißen Grund. Hier schwimmen sie und sie fliegen sogar, wenn das Bild senkrecht an einer Wand hängt. Ein gelber Fisch führt über die Grenze des Bildes hinweg. Wenn man ihm folgt, dann geht es hinaus ins imaginäre Unendliche.
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Mai 2025 | Tony Bevan, Arm Extended, 1986, Acryl, Pigment, Kohle auf Leinwand, 207 x 228 cm
Wer die Romane von Raymond Chandler über seinen Privatdetektiv Marlowe kennt, weiß, dass in einem Raum mit kargem Mobiliar – ein Schreibtisch, ein Telefon – alles Existenzielle seinen Anfang nimmt. Wie der Stoiker Marlowe erträgt auch der Mann im Bild seine Umgebung und sein Dasein. Er tut es in einfacher Kleidung, mit nackten Füßen, in einem Raum, der sich in breiten dunklen Strichen um ihn legt, als gäbe es sonst keine Welt. Das meiste im Bild ist in kräftigem Schwarz und Weiß. Umso deutlicher fleckt das Rot dem Mann auf den Bauch, den empfindsamen Schoß und den linken Oberschenkel. Die Ruhe dieses Menschen kontrastiert zu den beunruhigenden Umständen und zugleich kommt sie genau daher. Mit der bloßen Haut des Arms, den er auf dem Schreibtisch ausstreckt, ist auch sein Inneres offengelegt: die Eintrittsstelle seiner Sucht. Die schwarze Kontur, die hochgesträubten Haare, die sehnigen Hände, die dichten Flecken und Schatten verfremden im Bild eine beobachtete Realität. Sie wird, wie bei Marlowe dem Trinker, zum künstlerisch bearbeiteten Zeichen dafür, etwas auf andere Art nicht zu bewältigen.
April 2025 | Benedict Haener, costly bialetti, Schmuckanhänger und Objekt, 2025, Aluminium, Kunststoff, Silber, Abdrücke von Schmuckdiamanten
In dieser Kanne von Bialetti wurde schon Espresso gekocht. Und man könnte es wieder tun. Aber ob man das will? Denn zu ihrer erwiesenen Funktionalität kommt eine hintersinnige Korrespondenz zwischen Material- und Kunstwert hinzu. Die schlichte, aber überaus funkelnde Oberfläche der Aluminiumkanne spielt mit der Tradition mittelalterlicher Schatzkunst und ihrer Methode der Verehrung durch Kostbarmachung. Doch muss man sich nicht sorgen, dass etwas von dem Diamantgefunkel herunterfallen könnte. Denn statt wie Damien Hirsts Schädelkunstwerk mit überaus vielen Schmucksteinen besetzt zu sein, ist die Kanne nur mit deren Abdrücken übersät. Was hier glitzert, sind ausschließlich die Negative, welche die fein facettierten Diamanten, die Benedict Haener in die Oberfläche schlug, hinterlassen haben. Auf einen ebenso großen Gegensatz stößt man durch die vergleichende Betrachtung der beiden Werke. Gegenüber Hirsts wertstrotzendem Symbol der Vanitas steht mit dem Kännchen eine illusionistisch ausgeschmückte Vorfreude auf ein köchelnd und fauchend erzeugtes, schwarzflüssiges Lebenselixier. Hinzu kommt noch die Entdeckung der hübschen Form des Deckels. Vieleckig geometrisch besitzt er kleinen klaffenden Schnabel zum Ausschenken des Getränks. Man kann den Deckel abnehmen und als Anhänger mit einem Band auf der Brust tragen.
März 2025 | Michael Kaul, "Katze im Sack“, 2021, Acryl auf Nessel, 18 x 13 cm
Das Bild ist auch ein Objekt. Es besteht aus ganz gewöhnlichem, weiß grundiertem Leinen auf einem Holzrahmen. Nur davon ist kaum etwas zu sehen. Denn ein sackartiger Stoff wurde darüber gezogen, und von dem stehen oben links und rechts zwei Falten ab wie entzückende Öhrchen. Unten bildet er schnurrige Fransen. Dazwischen schlägt er Wellen. Und auf diesen Wellen sind kleine, huschelige Tupfen aus blauer und weißer Farbe. Sonst nichts. Sie könnten Krallen darstellen, die umherpieken oder Augen, die durch Maschen gucken. Eine Katze kriecht ja gern in alle möglichen Dinge hinein. Hier ist es, als wäre das nicht nur irgendein Sack, in dem sie sich versteckt, sondern, als würde sie in ihrem eigenen Kopf herumsausen.
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Februar 2025 | Thaddäus Hüppi, "Beure blanc", 2021, Keramik, Porzellan, Holz, Emaillack
Welche magischen Schwingungen die Alltagsdinge aussenden, lässt sich an Kaffeesatz- und Teeblattorakeln erahnen, die mit Hilfe von Tassen ausgeführt werden. Wenn dann in einer von Harry Potters Schulstunden eine Teetasse in ein pelziges Tierchen verwandelt werden soll, weckt das Gedanken an Meret Oppenheims Tasse mit Fell. Man kann auch gleich weiterdenken bis hin zu einer plappernden Tasse, die kurz zuvor noch ein plappernder Junge war, aber nun zum verzauberten Haushalt des biestigen Schlossherrn eines Disneyfilms gehört. In unserem Fall erhebt sich ein freundlicher Kopf mit einem herzförmigen Gesicht aus einer golddekorierten Tasse. Der keck aufgesetzte Hut ist von der Kaffeekanne übernommen, die nun irgendwo ohne Deckel dasteht, was aber vielleicht gar nicht schlimm ist. Denn die beschwingte Skulptur verzaubert und man glaubt fest daran, dass inmitten der normalen Dinge kleine, herzerfrischend freundliche Wunder möglich sind.
Januar 2025 | Michael Kaul, "Lemon Ballet“, 2023, Acryl auf Nessel, 48 x 55 cm
Der Titel selbst ist wie ein Bild. Aber statt dort tanzenden Zitronen zu begegnen, trifft man ebenso gern auf helle Streifen und dunkle Flecken vor fruchtig gelbem Hintergrund, und freut sich sogar über die getrickste Schieberei zwischen Wort und Bild. Das Gemalte ist gebaut aus starken Farb- und Formkontrasten. Direkt auf der Leinwand waren die stoffhellen Streifen, die stehen bleiben sollten, lässig abgeklebt. Danach wurde das Gelb aufgetragen und, solange es feucht war, das Schwarz aufgebracht, das sich zu buschigen Inseln auswuchs. So entstand vor dem Gelb eine Antithese zwischen hell gebliebenem Band und dunkel gewordener Wirrnis. Das Gelb ist der Möglichkeitsraum für die Notation ihrer rätselhaften Beziehung, in der sich Streifen und Flecken stets und in ähnlichen Konstellationen begegnen. Dennoch bleibt ungewiss, ob damit ein kausaler Zusammenhang gemeint ist oder auf einen Zufall angespielt wird. Nichts für schnelle Schlüsse. Das Bild ist eine gemalte Koinzidenz.
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Dezember 2024 | Yutaka Minegishi, "Sahnehäubchen“, 2013, Ring, Mammutbein, 5 x 3,5 cm
Wobei der scheinbare, dicke Sahneklecks auch an seine Herkunft erinnert. Denn der Ring sieht aus wie Milch und Milch spendende Brust in einem. Der Dezember wiederum ist der Monat heiliger Festlichkeiten zu Ehren eines Neugeborenen. Die Ernährung des kleinen Jesu, der aus der Brust seiner Mutter Maria trinkt, ist ein herausragendes Motiv der Kunstgeschichte (siehe „Maria lactans“) und trägt dazu bei, die menschliche Seite des Heiligen zu vergegenwärtigen. Der hier vorgestellte Ring besteht aus Mammutbein, also aus etwa 10.000 Jahre altem Elfenbein, das wegen seines Alters und seiner bereits ausgestorbenen Liefertiere nicht unter die Artenschutzkonvention fällt und weiterhin gehandelt werden darf. Zum Schmuckstück gehört ein hübsches Kästchen aus rot bespanntem Holz mit geschrägten Kanten, die es elegant verschließen. Innen ist es mit schwarzem Velours ausgeschlagen. Ein ähnlicher Ring wurde von der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne München angekauft.
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