Juni 2025 | Aylin Langreuter, the Blossfeldtspeakers, 2025, Print, 42 x 30 cm
Natur muss nicht im Widerspruch zu moderner Technik stehen. Stattdessen kann neue Technik Natur auf eine Weise wahrnehmen lassen, die bis dahin nicht möglich war. Karl Blossfeldts frühe Fotografien von Pflanzen hielten einen erstaunlichen Detailreichtum fest. Erste Zeitrafferfilme ließen Pflanzen ungeahnt beweglich erscheinen, wodurch sie plötzlich näher an die Tiere heranrückten. Genau wie Tiere sind Pflanzen auch nicht dumm und nicht stumm. Aktuelle wissenschaftliche Experimente zeigen, dass sie fühlen, kommunizieren, riechen, sich erinnern und ihre Umgebung wahrnehmen, auch wenn sie nicht jene Organe besitzen, mit denen Tiere und Menschen all diese Dinge tun. Da Pflanzen mit elektrisch gesteuerten Signalen arbeiten, erscheint es sinnvoll, dass Aylin Langreuter ihnen in ihren Bildern kleine, aber prominent auftauchende Lautsprecher implantiert hat. Wobei man, da diese technischen Kommunikationsmittel so subtil der gegebenen organischen Form angepasst sind, fast meinen möchte, die Pflanzen selbst hätten entschieden, sich auf diese Art eine Möglichkeit zu schaffen, um zwischen den Spezies zu kommunizieren. Auch wenn man es den stillen Bildern nicht anhört: Sie könnten mit ihren Blütenköpfen sprechen und mit ihren beblätterten Körpern reden.
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Juni 2025 | Aylin Langreuter, the Blossfeldtspeakers, 2025, Print, 42 x 30 cm

Natur muss nicht im Widerspruch zu moderner Technik stehen. Stattdessen kann neue Technik Natur auf eine Weise wahrnehmen lassen, die bis dahin nicht möglich war. Karl Blossfeldts frühe Fotografien von Pflanzen hielten einen erstaunlichen Detailreichtum fest. Erste Zeitrafferfilme ließen Pflanzen ungeahnt beweglich erscheinen, wodurch sie plötzlich näher an die Tiere heranrückten. Genau wie Tiere sind Pflanzen auch nicht dumm und nicht stumm. Aktuelle wissenschaftliche Experimente zeigen, dass sie fühlen, kommunizieren, riechen, sich erinnern und ihre Umgebung wahrnehmen, auch wenn sie nicht jene Organe besitzen, mit denen Tiere und Menschen all diese Dinge tun. Da Pflanzen mit elektrisch gesteuerten Signalen arbeiten, erscheint es sinnvoll, dass Aylin Langreuter ihnen in ihren Bildern kleine, aber prominent auftauchende Lautsprecher implantiert hat. Wobei man, da diese technischen Kommunikationsmittel so subtil der gegebenen organischen Form angepasst sind, fast meinen möchte, die Pflanzen selbst hätten entschieden, sich auf diese Art eine Möglichkeit zu schaffen, um zwischen den Spezies zu kommunizieren. Auch wenn man es den stillen Bildern nicht anhört: Sie könnten mit ihren Blütenköpfen sprechen und mit ihren beblätterten Körpern reden.
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Mai 2025 | Tony Bevan, Arm Extended, 1986, Acryl, Pigment, Kohle auf Leinwand, 207 x 228 cm

Wer die Romane von Raymond Chandler über seinen Privatdetektiv Marlowe kennt, weiß, dass in einem Raum mit kargem Mobiliar – ein Schreibtisch, ein Telefon – alles Existenzielle seinen Anfang nimmt. Wie der Stoiker Marlowe erträgt auch der Mann im Bild seine Umgebung und sein Dasein. Er tut es in einfacher Kleidung, mit nackten Füßen, in einem Raum, der sich in breiten dunklen Strichen um ihn legt, als gäbe es sonst keine Welt. Das meiste im Bild ist in kräftigem Schwarz und Weiß. Umso deutlicher fleckt das Rot dem Mann auf den Bauch, den empfindsamen Schoß und den linken Oberschenkel. Die Ruhe dieses Menschen kontrastiert zu den beunruhigenden Umständen und zugleich kommt sie genau daher. Mit der bloßen Haut des Arms, den er auf dem Schreibtisch ausstreckt, ist auch sein Inneres offengelegt: die Eintrittsstelle seiner Sucht. Die schwarze Kontur, die hochgesträubten Haare, die sehnigen Hände, die dichten Flecken und Schatten verfremden im Bild eine beobachtete Realität. Sie wird, wie bei Marlowe dem Trinker, zum künstlerisch bearbeiteten Zeichen dafür, etwas auf andere Art nicht zu bewältigen.
April 2025 | Benedict Haener, costly bialetti, Schmuckanhänger und Objekt, 2025, Aluminium, Kunststoff, Silber, Abdrücke von Schmuckdiamanten

In dieser Kanne von Bialetti wurde schon Espresso gekocht. Und man könnte es wieder tun. Aber ob man das will? Denn zu ihrer erwiesenen Funktionalität kommt eine hintersinnige Korrespondenz zwischen Material- und Kunstwert hinzu. Die schlichte, aber überaus funkelnde Oberfläche der Aluminiumkanne spielt mit der Tradition mittelalterlicher Schatzkunst und ihrer Methode der Verehrung durch Kostbarmachung. Doch muss man sich nicht sorgen, dass etwas von dem Diamantgefunkel herunterfallen könnte. Denn statt wie Damien Hirsts Schädelkunstwerk mit überaus vielen Schmucksteinen besetzt zu sein, ist die Kanne nur mit deren Abdrücken übersät. Was hier glitzert, sind ausschließlich die Negative, welche die fein facettierten Diamanten, die Benedict Haener in die Oberfläche schlug, hinterlassen haben. Auf einen ebenso großen Gegensatz stößt man durch die vergleichende Betrachtung der beiden Werke. Gegenüber Hirsts wertstrotzendem Symbol der Vanitas steht mit dem Kännchen eine illusionistisch ausgeschmückte Vorfreude auf ein köchelnd und fauchend erzeugtes, schwarzflüssiges Lebenselixier. Hinzu kommt noch die Entdeckung der hübschen Form des Deckels. Vieleckig geometrisch besitzt er kleinen klaffenden Schnabel zum Ausschenken des Getränks. Man kann den Deckel abnehmen und als Anhänger mit einem Band auf der Brust tragen.
März 2025 | Michael Kaul, "Katze im Sack“, 2021, Acryl auf Nessel, 18 x 13 cm

Das Bild ist auch ein Objekt. Es besteht aus ganz gewöhnlichem, weiß grundiertem Leinen auf einem Holzrahmen. Nur davon ist kaum etwas zu sehen. Denn ein sackartiger Stoff wurde darüber gezogen, und von dem stehen oben links und rechts zwei Falten ab wie entzückende Öhrchen. Unten bildet er schnurrige Fransen. Dazwischen schlägt er Wellen. Und auf diesen Wellen sind kleine, huschelige Tupfen aus blauer und weißer Farbe. Sonst nichts. Sie könnten Krallen darstellen, die umherpieken oder Augen, die durch Maschen gucken. Eine Katze kriecht ja gern in alle möglichen Dinge hinein. Hier ist es, als wäre das nicht nur irgendein Sack, in dem sie sich versteckt, sondern, als würde sie in ihrem eigenen Kopf herumsausen.
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Februar 2025 | Thaddäus Hüppi, "Beure blanc", 2021, Keramik, Porzellan, Holz, Emaillack

Welche magischen Schwingungen die Alltagsdinge aussenden, lässt sich an Kaffeesatz- und Teeblattorakeln erahnen, die mit Hilfe von Tassen ausgeführt werden. Wenn dann in einer von Harry Potters Schulstunden eine Teetasse in ein pelziges Tierchen verwandelt werden soll, weckt das Gedanken an Meret Oppenheims Tasse mit Fell. Man kann auch gleich weiterdenken bis hin zu einer plappernden Tasse, die kurz zuvor noch ein plappernder Junge war, aber nun zum verzauberten Haushalt des biestigen Schlossherrn eines Disneyfilms gehört. In unserem Fall erhebt sich ein freundlicher Kopf mit einem herzförmigen Gesicht aus einer golddekorierten Tasse. Der keck aufgesetzte Hut ist von der Kaffeekanne übernommen, die nun irgendwo ohne Deckel dasteht, was aber vielleicht gar nicht schlimm ist. Denn die beschwingte Skulptur verzaubert und man glaubt fest daran, dass inmitten der normalen Dinge kleine, herzerfrischend freundliche Wunder möglich sind.
Januar 2025 | Michael Kaul, "Lemon Ballet“, 2023, Acryl auf Nessel, 48 x 55 cm

Der Titel selbst ist wie ein Bild. Aber statt dort tanzenden Zitronen zu begegnen, trifft man ebenso gern auf helle Streifen und dunkle Flecken vor fruchtig gelbem Hintergrund, und freut sich sogar über die getrickste Schieberei zwischen Wort und Bild. Das Gemalte ist gebaut aus starken Farb- und Formkontrasten. Direkt auf der Leinwand waren die stoffhellen Streifen, die stehen bleiben sollten, lässig abgeklebt. Danach wurde das Gelb aufgetragen und, solange es feucht war, das Schwarz aufgebracht, das sich zu buschigen Inseln auswuchs. So entstand vor dem Gelb eine Antithese zwischen hell gebliebenem Band und dunkel gewordener Wirrnis. Das Gelb ist der Möglichkeitsraum für die Notation ihrer rätselhaften Beziehung, in der sich Streifen und Flecken stets und in ähnlichen Konstellationen begegnen. Dennoch bleibt ungewiss, ob damit ein kausaler Zusammenhang gemeint ist oder auf einen Zufall angespielt wird. Nichts für schnelle Schlüsse. Das Bild ist eine gemalte Koinzidenz.
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