Das Kunstwerk des Monats

Februar 2022 | Peter Senoner, Stitch, 2021, Bronze, Glas, Höhe 205 cm, Auflage 6

Die Figur handelt vom Fremdsein bei größter Nähe. Sie ist ihrer Umwelt fremd in ihrem bronzenen Stoff, in ihrer Körperhaltung, ihrer Nacktheit, mit der sie vor uns Bekleideten steht. Sie erscheint uns fremd mit ihrer enganliegenden Haube, unter der sich auf einer Seite eine unerklärliche Überwölbung eines Ohrs abzeichnet. Vom anderen Ohr führt ein Strang zur Herzgegend und übergangslos direkt in die Brust hinein. Der glatte, asexuelle Körper ist unentschieden und jugendlich, doch darum offen und allen nah. Ähnlichkeit bei gleichzeitiger Fremdheit ist ein menschliches Empfinden. Nur im Vertrauen auf die Ähnlichkeit kann man fragen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Bezogen auf die Figur lautet die Antwort: ein Mensch ist Gestalt und gestaltgewordenen Kultur. Er trägt, selbst wenn der Körper nackt ist, noch eine Haube, die nach oben abschirmt und Schuhe, die den Füßen fast angewachsen sind, so dass sie ein Podest nach unten bilden. Weshalb ein Mensch nur aus einer kulturellen Entfernung heraus auf dem Boden stehen kann. Selbst auf den ersten Blick lässt sich in der Figur ein innerliches, hier nach außen gestülptes Daseinsgefühl wiedererkennen. Doch ihre Augen aus Glas, eingelassen in die Bronze, haben einen aufschreckenden Effekt. Sie sind wie Lebenszeichen eines innewohnenden, unbekannten Wesens.

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